Begib dich auf eine spannende Reise durch Schichten, die Geschichten erzählen. Der Tell Genderes in Syrien. Präsentiert in einer interaktiven Ausstellung im BildungsTURM Konstanz vom 19.Dezember 2015 bis zum 31. Januar 2016.
Di.-Fr. 10.00 - 18.00 Uhr und Sa.-So. 10.00 - 17 Uhr geöffnet. Führungen immer Sonntags um 15 Uhr.
Aktuelle Vorträge zum Thema:
Hartmut Kühne zu "Archäologie und Gegenwarten - 35 Jahre Feldarbeit in Syrien, und jetzt?" am 11.01.2016, 19:00 Uhr im Wolkensteinsaal des Kulturzentrums am Münster
Sophie Lenski zu "Zerstört, geraubt - verkauft? Kulturgüterschutz zwischen Krieg und Kommerz" am 18.01.2016, 19:00 Uhr im Wolkensteinsaal des Kulturzentrums am Münster
In einer Kooperation der Universität Konstanz und der HTWG Konstanz entstand die Ausstellung „Tell Genderes – 20 Meter Menschheitsgeschichte“. Die Studierenden präsentieren Ergebnisse der archäologischen Ausgrabung der antiken Ortschaft Genderes, die im heutigen Norden Syriens liegt.
Er wurde in mehreren Ausgrabungskampagnen von Archäologen aus Konstanz und Syrien untersucht. Sie haben das kulturelle Erbe Syriens (wieder) Schritt für Schritt freigelegt. Frühere Bewohner des Ortes haben mit ihren Hinterlassenschaften Schicht um Schicht den Hügel geformt und so wuchs Genderes immer weiter in die Höhe – der heutige Hügel (arabisch tell) bildet 20 Meter Menschheitsgeschichte ab.
Tauchen Sie in die Welt der Archäologie ein und scrollen Sie durch die Schichten dieses Tells. Entdecken Sie Mönche auf Säulen, den Handel der Antike und die unfassbaren Bauprogramme der Seleukidenherrscher. Die über 5000 Jahre alte Siedlungsgeschichte des Hügels kann ab dem 19.12.2015 im BildungsTURM interaktiv erforscht werden. Dabei wird die aktuelle Lage Syriens nicht aus den Augen verloren.
Ab dem 4. Jh. n. Chr. nehmen syrische Mönche immer außergewöhnlichere Formen der Askese an. Am berühmtesten ist schon unter seinen Zeitgenossen der heilige Simeon Stylites, der im 5. Jh. n. Chr. lebt. Dieser hat sich auf eine fast 40 Meter hohe Säule gestellt, um Gott näher zu sein. In Sichtweite von Tell Genderes entsteht um den Säulenheiligen ein Kloster, das zahlreiche Pilger anzieht und zu einem „Touristenboom“ in der Region führt.
In der Umgebung von Tell Genderes stehen im Kalksteinmassiv insgesamt ca. 80 Klöster. Auch in der Kirchenarchitektur entwickelt sich hier eine Sonderform, die ohne den derzeitigen Bürgerkrieg in den sogenannten „Toten Städten“ noch zu bewundern wäre: Die Ruinen der Ortschaften sind teilweise noch zwei Stockwerke hoch.
Tell Genderes selbst ist ebenfalls christianisiert worden. Die Missionierung erfolgt vom nahen Antiochia her, wo Paulus und Petrus neue Anhänger suchten. Beim ersten ökumenischen Konzil von Nizäa 325 n. Chr., das durch Konstantin den Großen einberufen worden war, ist Genderes durch einen eigenen Bischof vertreten.
In römischer Zeit ist Tell Genderes Teil der Provinz Syria. Auf einer Karte aus dem 12. Jh., der bekannten Tabula Peuntigeriana, werden die wichtigsten Handelsrouten und Stationen auf dem Weg von Indien bis in den weiten Westen nach Britannien abgebildet.
Unter den Handelsorten ist an einer Kreuzung zweier Straßen auch „Gindaros“, also Tell Genderes, eingezeichnet. Über diesen Knotenpunkt läuft einer der Landwege für den Handel auf der Route der antiken Seidenstraße.
Der Anbau und die Verarbeitung von Wein und Oliven sind in Genderes die bedeutendste Industrie. Der Transport solcher Erzeugnisse erfolgt in die ganze damals bekannte Welt. Besonders die in der Ausstellung gezeigten Amphorenstempel – eine Art antiker Barcodes – zeigen die Verflechtungen der Stadt mit ihrer Umgebung.
Tell Genderes liegt strategisch günstig auf dem Handelsweg zwischen Kyrrhos und Antiochia. Deswegen wählen die seleukidischen Herrscher diesen Ort aus, um jenen – wie auch viele andere – um 300 v. Chr. neu zu gründen. Bei dieser „Aufsiedlung“ sind teilweise alte Siedlungen vorhanden, die nur erweitert und ausgebaut werden, aber immer einen neuen „griechischen“ Namen erhalten.
Im neuen Gindaros, dem griechischen Namen von Tell Genderes, wird auf dem Tell ein rechteckiges Straßenraster angelegt, ein sogenanntes hippodamisches Straßensystem. Die Häuserblocks haben dabei immer die gleiche Größe. Das hippodamische Straßensystem wird bei fast allen hellenistischen Städtegründungen eingeführt.
Mit dieser Infrastrukturmaßname werden auch griechische Siedler angesiedelt, deren Hinterlassenschaften den Tell weiter anwachsen ließen. Der Anstieg an materiellen Funden aus dieser Zeit zeigt, dass Tell Genderes unter den Seleukiden einen wirtschaftlichen Aufstieg erlebte.
Unmittelbar vor der Schlacht bei Issos 333 v. Chr., bei der Alexander der Große den Perserkönig ganz in der Nähe von Tell Genderes besiegte, ist der Ort vermutlich gar nicht oder kaum besiedelt. Daher können sich die griechischen Siedler hier ohne Probleme niederlassen.
Doch Gindaros war in den vorherigen Jahrhunderten schon einmal bewohnt gewesen. Die Bewohner hinterließen Keramik und Terrakotten. Wie der Ort damals genau aussah, ist unklar, da die Ausgrabungen nicht bis in die tiefsten Schichten des Hügels eindringen konnten.
So liegen die Ursprünge des Tells und das Alltagsleben seiner ersten Bewohner im Dunkeln. Die Höhe des Tells jedoch verdeutlicht, dass sich seine ganze Geschichte von der ersten bis zur letzten Besiedlung in islamischer Zeit 20 Meter hoch auftürmt.
Ein Kooperationsprojekt der Universität und HTWG Konstanz: Tell Genderes – 20 Meter Menschheitsgeschichte | Archäologische Ausstellung